Kambodscha, Pursat – Heute sind wir wieder früh aufgebrochen, da einige weiter weg gelegene Emergencyprojekte besucht werden sollten, außerdem wollte ich noch unbedingt zu Ljongmakara, dem kleinen Jungen, der letztes Jahr zufällig als Projekt “reinrutschte“. So haben wir uns in einer kleinen Gruppe aufgemacht in Richtung Rieng Teul, einem schwimmenden Dorf auf dem Tonle Sap See. Je weiter wir von Pursat wegkamen, desto schlechter wurde die Straße und Kühe wurden mehr. Teilweise große Herden mussten wir auf unseren kleinen Rollern durchfurchen, aber sie machten immer bereitwillig Platz, so auch die Wasserbüffel, die nochmal eine ganze Menge größer sind. Nachdem es gestern einen großen Regenguß gab, war die Redroad eher eine Schlammpiste und mehr rutschend als fahrend erreichten wir schließlich das Ende der Strasse, an dem wir einen Fischer fanden, der uns nach Rieng Teul bringen konnte. In einem abenteuerlichen Ritt ging es durch den Busch, der jetzt kurz nach der Regenzeit überall überflutet ist. Es mutet seltsam an, dort mit dem Boot zu fahren, wo sonst die Roller unterwegs sind.
Ich bin ja nun schon ein paarmal durch die schwimmenden Dörfer, die floating villages, gefahren und manchmal habe ich die Menschen sogar etwas beneidet, daß sie so fast idyllisch wohnen. Das ist allerdings bei näherer Betrachtung nun gar nicht mehr so. Das Elend ist riesig und mit Idyll hat das wirklich nichts zu tun. Viele Menschen wohnen auf kleinstem Raum in Bretter- oder Wellblechverschlägen , es gibt natürlich keine Kanalisation, dennoch trinken die Menschen häufig das Wasser aus dem See, die Kinder schwimmen darin, es riecht überall.
Mrs. Simky, die alte Dame, die wir besuchten, wohnte noch viel ärmlicher als die meisten hier. Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat. In einem 5×3 Meter großem Verschlag mit rostigem und löchrigem Wellblechdach hockte die kleine, zierliche 74jährige Dame und erwartete uns schon. Leider konnten wir nicht aus dem Boot, da uns das Haus nicht getragen hätte. Auf zusammengeschnürten rostigen Holzfässern waren einige Lagen Treibholz aufgeschichtet und darauf lebte die Dame schon seit vielen Jahren, seit sie vor den Schergen Pol Pots mit Ihrem Mann auf den See geflüchtet war und dort von den Roten Khmer nicht gefunden wurde. Die hätten die beiden damals sofort ermordet.
Über den Übersetzer konnten wir herausfinden, daß ihr Haus immer weiter absinkt, weil die Fässer verrottet sind und es irgendwann ganz untergehen würde, außerdem war das Dach so löchrig, daß es in der Regenzeit keinen Platz gab, um trocken zu sitzen und zu liegen. Wir diskutierten lang, kamen dann irgendwann zu dem Schluß, daß es notwendig sei, ein neues Haus zu konstruieren, außerdem bekommt sie noch etwas Kerosin für die Lampenflasche und wir besorgen ein kleines Solarlicht, damit sie nachts etwas sehen kann. Für die Zeit, bis alles organisiert ist, bekam sie noch ein Kitchenset (ein Topf, ein Teller und etwas Besteck) und ein Sleepingset mit Bastmatte, damit sie nicht mehr auf den alten Müllsäcken schlafen muß, so wie sie es bislang macht. Außerdem noch einen Sack Reis und Soßen, wie es hier üblich ist.
Ich habe mit Dave, einem Kanadier, der hier lebt und seit Jahren der kleinen Hilfsaktion verbunden ist, besprochen, daß er ein wenig ein Auge darauf hat, daß die Fässer, das Holz und das Wellblech auch am See ankommt und dort zu einem neuen Haus verbunden wird. Ein großes Projekt und auch erheblich teurer als die meisten. Man rechnet alles in allem mit 1500 Dollar. Eigentlich verschwindend wenig, wenn man bedenkt, was wir damit tun konnten…
Verfasser: Thomas Kretz